Berliner Kurzsauer
Das Berliner Kurzsauerverfahren, entwickelt von Pelshenke und Schulz im Jahr 1942, zählt zu den frühesten Methoden der einstufigen Sauerteigführung. Obwohl es heute nicht mehr weit verbreitet ist, bietet es eine faszinierende Perspektive auf die Entwicklung von Sauerteigtechniken und deren Einfluss auf den Brotgeschmack. Besonders bei Weizenmischbroten zeigt dieses Verfahren noch immer seine Stärken.
Grundlagen des Berliner Kurzsauerverfahrens
Das Berliner Kurzsauerverfahren ist bekannt für seine schnelle und relativ einfache Methode zur Sauerteigführung. Es zeichnet sich durch eine hohe Temperatur und eine kurze Reifezeit aus, die für eine spezifische Aromaprofil sorgt.
1. Hauptmerkmale
- Ein-Stufen-Verfahren: Das Verfahren nutzt eine einzige Stufe, was es von komplexeren, mehrstufigen Sauerteigmethoden unterscheidet.
- Hohe Temperatur: Die Temperatur des Sauerteigs beträgt anfangs 35°C. Diese Wärme fördert die Vermehrung der Milchsäurebakterien, was zu einem milderen Brotgeschmack führt.
- Kürzeste Reifezeit: Der Sauerteig ist bereits nach 4 Stunden einsatzbereit, was die Methode besonders zeitsparend macht.
- Hoher Anstellgutanteil: Es wird eine hohe Menge Anstellgut verwendet, typischerweise 20% des zu versäuernden Roggenmehls.
2. Geschmack und Aroma
Das Verfahren fördert eine Milchsäure-betonte Säuerung des Teigs und unterdrückt bewusst die Essigsäure und Hefe. Dies führt zu einem relativ milden Brotgeschmack. Im Vergleich zu anderen Verfahren fehlt es dem Berliner Kurzsauer jedoch an der Tiefe und Komplexität des Aromas, da die Balance zwischen Milchsäure und Essigsäure nicht so ausgewogen ist. Heute weiß man, dass ein ausgewogenes Milch-/Essigsäureverhältnis für ein volleres Brotaroma sorgt, weshalb das Berliner Kurzsauerverfahren heute weniger gebräuchlich ist.
Anwendung des Berliner Kurzsauerverfahrens
Für das Berliner Kurzsauerverfahren wird der Sauerteig wie folgt vorbereitet:
- Anstellgut: 20% der zu versäuernden Roggenmehlmenge.
- Zutaten:
- Anstellgut: 84g
- Wasser: 420g
- Roggenmehl: 420g
Die Teigausbeute (TA) beträgt 200, was bedeutet, dass der Sauerteig sehr weich ist. Die Reifezeit des Sauerteigs beträgt bei 35°C in der Regel 3 Stunden. Wenn die Reifezeit auf 4 Stunden verlängert wird, entwickelt sich ein ausdrucksvolleres und aromatischeres Brot. Kann die erforderliche Temperatur von 35°C nicht konstant gehalten werden, verlängert sich die Reifezeit um etwa 15 Minuten pro Grad Celsius Abweichung.
Lagerung des Anstellgutes
Nach der Reifung des Sauerteigs sollte das Anstellgut abgenommen und in einem sauberen, verschließbaren Glas im Kühlschrank aufbewahrt werden. Es kann bis zur nächsten Verwendung gelagert werden.
Fazit
Das Berliner Kurzsauerverfahren stellt eine historische Methode der Sauerteigführung dar, die vor allem durch ihre schnelle Reifezeit und einfache Handhabung besticht. Obwohl das Verfahren heute aufgrund seines weniger ausgeprägten Aromas und der Herausforderung, die hohen Temperaturen konstant zu halten, weniger gebräuchlich ist, bleibt es eine interessante Technik, insbesondere für Weizenmischbrote. Für den Hobbybäcker die eine zügige und dennoch effektive Sauerteigführung suchen, bietet das Berliner Kurzsauerverfahren nach wie vor nützliche Einblicke in die Entwicklung und Anwendung von Sauerteigen.
28 Kommentare
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Steffen in Kanada
Hallo, ich bin erst dieses Wochenende auf das Blog gestoßen. Auf den ersten Blick sieht es nach einer fantastischen Wissenquelle aus. Vielen Dank für die Informationen. Ich werde mich mal durcharbeiten und Rezepte ausprobieren.
Ich lebe seit über einem Jahrzehnt in Kanada und backe mir mein Roggen- und Mischbrot zu Hause ohne technische Hilfsmittel in der Vorbereitung. Eines meiner größten Probleme bei der Umsetzung deutscher und österreichischer Rezepte ist, daß ich hier nur “dark rye” oder “light rye” Mehl kaufen kann. Es kommt mir so vor, als ob ich immer mehr Wasser zusetzen muß, als in den Rezepten geschrieben ist. Gibt eine Möglichkeit für mich als Laien zu bestimmen, mit welcher Mehl-Klasse mein lokales Angebot vergleichbar wäre?
LG,
Steffen
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Dietmar Kappl
Hallo Steffen,
ich empfehle dir deine beiden Mehle vor der Verarbeitung zu mischen.
Ein Anfang wäre 50:50 – dies würde ich einmal mit der Mehltype 960 gegenüberstellen und Testbacken. Erst nach diesem Test würde ich die Mischung weiter anpassen und weiter verbessern, aber immer in kleinen Schritten.
So kommst du am schnellest ans Ziel 😉
Lg. Dietmar
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Steffen
Danke, werde ich demnächst mal in der Praxis ausprobieren. Bisher habe ich immer mit dem Typ “dark rye” gebacken. Jetzt muß ich mir erstmal ein paar Pfund der light version holen.
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rob
Du schreibst: Die hohen Sauerteigtemperaturen begünstigen die Milchsäurevermehrung, welche sich im Brotgeschmack entsprechend mild wieder findet.
Müsste es nicht eher heißen: Die hohen Sauerteigtemperaturen begünstigen die Hefevemehrung (und hemmen die Milchsäurevermehrung), welche sich im Brotgeschmack entsprechend mild wieder findet.
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Hubert v. Thailand
Sorry, der OneDrive link im Kommentar war falsch, das ist das “Reine Roggenbrot”. Hier der richtige link:
https://1drv.ms/f/s!Apa7CRYuOX3nk3f6LSoZMS6qRPkG
LG
Hubert
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Dietmar Kappl
grins 😉
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Hubert v. Thailand
Gruess euch zusammen,
vorweg: definitiv hat sich dieses Brot einen eigenen Platz bei den Rezepten verdient, nicht so ein Mauerbluemchen Dasein versteckt unter “Berliner Kurzsauer”…Das Brot ist total einfach in der Zubereitung, in 6 Stunden ist der Zauber vorueber, es schmeckt aber herrlich kraeftig. Einzige Abweichung vom weiter unten angegebenen Kurzrezept: Ich habe ein Schluckerl Kuerbiskernoel dazu gegeben – Danke Markus P. fuer deine Pionierarbeit! Ich habe das schon einmal in Erwaegung gezogen, aber nicht ohne vorher Dietmars Segen zu erbitten, dann habe ich es wieder bleiben lassen, bei weizenlastigen Broten habe ich mich da nicht drueber getraut – bis zum heutigen Roggenbrot. Jedenfalls ist das nur zu empfehlen. Ich habe es bei mir im Ordner RB 70/30 genannt…
Da ich wieder einmal nicht sicher bin, ob das Foto eingefuegt wurde, vorsichtshalber:
https://1drv.ms/f/s!Apa7CRYuOX3nkBeHLFI14Q2GzJtK
Ein schoenes Wochenende allen
Hubert
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Dietmar Kappl
Hallo Hubert,
tolle Fotos 😉
Für einen wie dich ist diese Sauerteigführung wohl die beste!
Ps. Gestern hatte ich ja wieder Backkurs und stell dir vor die weiteste Anreise eines Teilnehmers war aus DUBAI 🙂 – das erste Zitat von einem anderen Kursteilnehmer war “Jetzt fehlt nur noch der Hubert aus Tailand” 🙂 🙂
Lg. Dietmar
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Hubert v. Thailand
Waer’ optimal jetzt, 14 Tage in Oesterreich ein zu schieben, geht aber trotzdem aus div. Gruenden nicht…Es hat ein unguaten Sud derzei, a Dampfgarer is a Dreck dagegen…😅😎. Ich muss mich foermlich ueberwinden, mich derzeit in die Backstube zu stellen, aber…Eh scho wissen, Menschenblut will gepeinigt werden😉!
LG
Hubert
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Dietmar Kappl
Hallo Hubert,
mir reichen die 32°C jetzt schon.
Will mir deinen Gärraum echt nicht vorstellen – da hab ich lieber Froster 😉
Lg. Dietmar
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Hubert v. Thailand
Gruess dich, Meister,
ich habe den BKS komplett aus Weizenmehl gemacht, es hat perfekt funktioniert. Nach gut 4 Std. war er fertig und haette ich ihn nicht gebraucht, waere er als Fruehstueck faellig gwesen; Geschmack und Aussehen wie ein aromatisches Joghurt, wobei ich die Geschmacksrichtung nicht genau definieren kann, leicht fruechtig? Beim Rezept des Brotes habe ich mich an das “Schwarzwaelder Landbrot” an gelehnt, habe aber anstatt Roggensauer eben den Weizensauer genommen und ebenso ein Weizenpoolish – das hast du mir einmal geraten…
Jedenfalls hat das Spass gemacht und das Brot ist sehr gut. Sehr saftig, das mag ich…
Danke und liebe Gruesse
Hubert
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Dietmar Kappl
Hey Hubert,
das Brot hat ja richtig Volumen!!
Die Führung wird sich bei deinen tropischen Temperaturen als die Beste herausstellen 😉
Lg. Dietmar
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Hubert v. Thailand
Genauso ist es, der ab jetzt SauerTHAIg?…
Hubert
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Hubert v. Thailand
Servus Dietmar,
angenommen ich moechte ein reines Weizenbrot backen, kann man den BKS auch mit Weizen ASG ansetzen, oder besser nicht?? Hier ist ja immer vom Roggen ASG die Rede… Ich frage deshalb, weil mir das von der Temperatur her entgegen kaeme, sonst muss ich ja auf der Lauer liegen beim “normalen” WST?
Danke dir im Voraus
Hubert
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Dietmar Kappl
Hallo Hubert,
wenn ich deine Frage jetzt richtig verstanden habe, dann möchtest du den Berliner Kurzsauer aus Weizenmehl machen – funktioniert genau so !!!
Lg. Dietmar
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Hubert v. Thailand
Eine gute Nachricht, vielen Dank!
LG
HUbert
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Claudia
Hallo!
Könnte man mehr deiner Rezepte auf die Berliner Kurzsauerführung umändern, oder eignet sie sich nur für manche Brotarten? Ich mag diese Rezepte (Pane di Zucca Carota, ausgehobenes Bauernbrot, …) so gern, weil sie sich auch an EINEM Tag ausgehen, wenn mich die Backlust spontan überkommt oder das Brot knapp wird…
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Dietmar Kappl
Hallo Claudia,
du kannst jede x-beliebige Sauerteigführung für jedes Rezept anwenden!
Worauf du achten musst, ist die Zugabemenge denn diese schwank bei den unterschiedlichen Sauerteigführungen 😉
Lg. Dietmar
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Matthias
danke für deine ganzen Tipps und Anleitungen, das Brot ist toll geworden
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Dietmar Kappl
Hallo Matthias,
sieht verdammt klasse aus 🙂
Lg. Dietmar
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Elisabeth
Hallo Dietmar!
Könntest du mir eine kurze Anleitung für das Beispiel vom Roggenmischbrot oben geben? Wieviel Wasser und Salz noch dazukommt, eventuelle Germ sowie die Knet-, Gar- und Backzeit? Ginge es auch, das Brot im Kasten zu backen?
Herzlichen Dank im Voraus
Elisabeth
PS: Die Fotos vom Backkurs sind der Wahnsinn. Ich hoffe sehr, dass ich es einmal schaffe zu einem deiner Kurse zu kommen.
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Elisabeth
Hallo Dietmar!
Herzlichen Dank, das Brot ist hervorragend geworden. Und das funktioniert so einfach, dass es auch neben dem Stillen klappt.
Hab 100 g Altbrot zugegeben. Muss ich dann von der Schüttflüssigkeit das abziehen, das ich zum Altbrot gegeben habe?
Danke nochmals,
Elisabeth
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Dietmar Kappl
Hallo Elisabeth,
kommt auf das Restbrot an:
Wenn der Teig dadurch zu fest wird, dann sollte das Restbrot zusätzlich mit Wasser angerührt werden. Sollte die Teigfestigkeit trotz zugabe von Restbrot passen, dann würde ich das nächste mal das Restbrot mit einem Teil der Schüttflüssigkeit ansetzten (Restbrot immer einweichen!!).
Lg. Dietmar
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Dietmar Kappl
Hallo Elisabeth,
924g Sauerteig
280g R960
300g W700
330g Wasser (TA 175%!! – sollte dein Roggenmehl eine niedrige Wasseraufnahme haben, dann musst du die Wassermenge etwas reduzieren)
22g Salz
Zur Frischhaltung kann auch eingeweichtes Altbrot zugesetzt werden 😉
Lg. Dietmar
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Elisabeth
Herzlichen Dank!
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Dietmar Kappl
Sorry!
MZ: 5-6 Minuten langsam mischen
TR: 15 Minuten
Gare: ca. 40 Minuten
BZ: 60 Minuten
BT: 250°C / 10 Minuten
200°C / 50 Minuten
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Elisabeth
gehe ich richtig in der Annahme, dass somit in den Hauptteig noch
238 g Roggenmehl kommen würden ;-)?
Vielen Dank für diesen wunderbaren Blog
Elisabeth
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Dietmar Kappl
Hallo Elisabeth,
wenn das Anstellgut im Sauerteig bleibt, dann stimmt die Rechnung mit 238g Roggenmehl 😉
Durch die kurze Dauer der Versäuerung musst du mehr Roggen säuern!
(Die Krume würde am nächsten Tag stark bröseln)
Lg. Dietmar
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