Gib ihm “Zeit” deinem Brotteig
“Bläschen auf der Kruste” – so könnte man die Langzeitführung bei geringer Lagertemperatur auch nennen. Die kleinen, hellen Punkte auf der Kruste treten besonders dann auf, wenn die Teiglinge längere Zeit bei kühlen Temperaturen gelagert werden. Diese “Blasen” bilden sich bei 8°C an der Teigoberfläche durch den enzymatischen Abbau der Eiweißstoffe. Der treffendere Name wäre eigentlich “Eiweißbläschen”. Ihre Auswölbung entsteht durch einen physikalischen Lockerungsprozess und sind ein Indiz für einen stattgefundenen Reifeprozess.
Die Vorteile der Langzeitführung:
- Entwicklung von Aromastoffen bei der Teiglagerung
- weichere und saftigere Gebäckskrumen
- zarte Rösche
Vorteiganteil
Es gilt das Prinzip, dass der Vorteiganteil je nach Länge der Lagerdauer variert. Lagern die Teige bis zu 16 Stunden, dann sollte nur ein minimum an Vorteig verwendet werden, weil die Verquelluung während der Reifezeit ausreichend ist. Wenn der Vorteiganteil zu hoch ist, dann wird der schon im Vorteig teilweise abgebaute Kleber noch weiter geschädigt, und somit ist mit sehr starken Volumenseinbußen zu rechen. Ebenso wird die Kruste nicht mehr rösch, sondern sehr schnell pappig.
Einige Punkte die bei Vorteigen in der Langzeitführung zu beachten sind:
- Teigausbeute 200%
- Teigtemperatur 20°C und im Sommer sollte er in der Kühlung reifen, da die Teigtemperatur des Hauptteiges zu warm werden könnte
- Hefemenge 1-2%
- Stehzeit von max. 20 Stunden
Langzeitführung durch Lagerung bei Kühlraumtemperatur
Durch Lagerung im Kühlraum lässt sich eine deutlich längere Gare erreichen. Bei diesem Verfahren gibt es zwei Möglichkeiten:
- Die Teiglinge werden sofort nach dem Herstellen gekühlt
- Die Teiglinge werden nach der Herstellung bis etwa 3/4Gare gebracht und danach gekühlt
Bei der Herstellung ohne Vorgare ist zu berücksichtigen, dass die Teiglinge, bevor sie in den Ofen geschoben werden, noch etwa für 30-40 Minuten bei Raumtemperatur reifen müssen.
19 Kommentare
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Rudolf Oribold
Hallo Dietmar,
ich habe zur Langzeitgare eine grundsätzliche Frage die mir jetzt auf den Nägeln brennt. Oft haben wir Brote mit einer Gare von 16-24Std im Kühli, leuchtet mir ein und ist für mich auch plausibel. Jetzt habe ich ein Brot (Grillbrot mit Röstzwiebeln und Schinkenspeck, Mehl T80 – Bongu) gebacken und eine Gare von 44Std gehabt. Das Brot habe ich im Topf gebacken und es ist auch super geworden (Foto). Was mich jetzt umtreibt: Wie sinnvoll ist so eine lange Gare und wann brauch ich die? Wird dies überhaupt verwendet, wenn ja wo? Mehle haben wir als Hobbybäcker ja einige die mit extra langer Gare werben. Im Betrieb glaub ich macht das keinen Sinn, nur Rentner als Hobbybäcker können das, die haben Zeit. Das war ein Versuch der mal geklappt hat, verfolgte mich schon über ein Jahr.
Wenn Du mal Zeit findest bevor die Grillzeit anfängt😉😂.
Vielen Dank,
Gruß aus dem Bergischen Land
Rudolf
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Dietmar Kappl
Hallo Rudolf,
ein SUPER Brot hast du hier aus dem Ofen gezogen 🙂
Aus Bäckers sieht kann der Teigling max. einen Tag reifen – nur so ist die ständige Drehung möglich!
Zuhause ist es da schon einfacher – hier kann die Reife in fast unendliche ausgedehnt werden. Ich selber halte die Teiglinge aber bei einer Reifezeit von 14-24Std. am besten.
Lg. Dietmar
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Rudolf Oribold
Hi Dietmar,
Du kannst die Frage streichen, sorry. Habe heute ausgiebig im Netz geforscht und habe tatsächlich eine sehr gute und ausgiebige Abhandlung gefunden. Hier wurde der Bezug zum Baguette gemacht (50Std Baguette). Dadurch erklärt sich mir einiges und speziell in dem Fall wird es klarer.👍
Vielen Dank
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Angelika Pröbsting
Hallo Dietmar!
Immer wieder habe ich Probleme damit das der Teig zu flüssig ist und sich schlecht vom Gärkorb löst. Keine Ahnung was ich falsch mache oder wie soll ich reagieren wenn der Teig zu flüssig ist? Ich richte mich genau nach dem Rezept und die Thermomixwaage geht hoffentlich genau. Soll ich den Teig länger reifen lassen im Gärkorb oder was rätst Du mir!
Vielen Dank für Deine Antwort
Angelika
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Dietmar Kappl
Hallo Angelika,
wenn du die Teige etwas länger reifen lässt, dann werden diese wolliger und trockener (max. 30-40 Minuten)
Eventuell sind die Teige falsch geknetet wenn sie so kleben 😉
Lg. Dietmar
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Angelika Pröbsting
vielen Dank Dietmar!
Da ich ja alles mit dem Thermomix knete sollte ich doch mal Deine Empfehlungen zum Kneten ausprobieren. Allerdings ist mir aufgefallen dass immer die gleichen Rezepte zu flüssig sind, andere dagegen passen immer. Bei einem Rezept für ein Ruchmehlbrot aus dem Plötsblogg ist das so. Übernachtgare und trotzdem ein sehr flüssiger Teig. Ich kann Dir auch noch andere Beispiele nennen wo das so ist, erspare ich mir hier aber. Mal schauen ob und wie ich das ändern kann!
Lieben Dank für die Antwort
Angelika
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Brotbackmama
Hallo Didi,
Wie wirkt sich eigentlich die lange kühle Gare bei Broten mit hohen Sauerteiganteil aus? Werden die dann nicht zu sauer, da ja bei kühleren Temperaturen eher die Essigsäure gebildet wird? Oder stoppt dieser Prozess ab einer bestimmten Temperatur?
Liebe Grüße Michi
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Dietmar Kappl
Hallo Michi,
Weizenbroten oder Roggenbroten?
Bei Weizenbroten wähle ich immer eine:
– knappe Zugabemenge (10-20%)
– hohe TA (mind. 200-220)
– warme Sauerteigführung (28-30°C / mild)
Bei Roggenbroten verzögere ich nur die Gare auf max. 4-5 Stunden. Die dichte Teigmasse der Roggenbrote erlaubt nur ein zaghaftes Durchkühlen der Teige – daher findet auch sehr schnell eine Übergare statt!
(Ich werde mich noch intensiver mit diesem Thema beschäftigen aber dies ist meine derzeitige Erfahrung)
Lg. Dietmar
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Felix
Hallo Dietmar,
ich muss Dich wieder mit einer Frage quälen (ich habe keine wirklich passende Stelle dafür gefunden, daher stelle ich sie hier):
Ich fürchte, ich mache einen systematischen Fehler: bis jetzt war alles, was ich gebacken habe (2x Siegerländer Hausbrot, 2x Salzstangerl, 2x Wachauer, Hausbrot), zu fest und zu kleinporig. Auch die Größe hat zu wünschen übrig gelassen.
Ich habe das Gefühl, die Teige sind alle zu fest und trocken gewesen – also möchte ich es mit mehr Wasser versuchen. Was hältst Du von +10% ?
Oder hast Du einen anderen Verdacht ?
Liebe Grüße aus dem trüben Auersthal,
Felix
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Dietmar Kappl
Hallo Felix,
ich würde es zu Beginn mit 5% versuchen aber:
Brot: Sehr oft liegt der Fehler vom feinporigen Brot in der Teigtemperatur des Hauptteiges! Diese sollte wenn möglich nie unter 30°C liegen / 32-34°C wären perfekt 😉 . Die Reife/Temperatur des Sauerteiges passt?
Gebäck: Kleingebäck mit dichter Porung ist “oft” nur ein Misch- und Knetfehler!!! Weizenteige gehören intensiv geknetet, daher würde ich einfach einmal die Knetzeit um 1/3 erhöhen. Wenn du richtig liegst, wirst du es bereits auf der Gare bemerken (Teige garen um ein vielfaches schneller auf der Gare!)
Lg. Dietmar
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Felix
Servus Dietmar,
ich hab´s noch immer nicht geschafft! Diesmal habe ich gemäß Deinem Rat ganz genau auf die Teigtemperaturen und Garzeiten geachtet und kein zusätzliches Wasser beigegeben, aber das Resultat war noch immer nicht voll zufriedenstellend. Das Brot (Hausbrot) ist seitlich aufgerissen und war immer noch sehr fest. Was mir beim kneten bzw. rundschleifen aufgefallen ist: der Teig hat nur sehr wenig Bindung, es fehlt ihm die Geschmeidigkeit, um ihn zu formen. Beim Rundschleifen zieht man ja (wenn ich das Video richtig interpretiere) äussere untere Teigschichten nach oben zur Mitte. Bei mir reisst dabei der Teig schon (mit einer “körnigen” Bruchfläche) ein.
Was ist Dein Tip ? Doch Wasseranteil erhöhen?
Ich hoffe, ich schaffs noch bis Ostern – habe der Family einen Schinken im Brotteig versprochen !
Liebe Grüße vom etwas verzagten
Felix
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Dietmar Kappl
Hallo Felix,
du wirst wahrscheinlich die Wassermenge noch etwas erhöhen müssen + länger kneten (solange du es mit der Hand machst).
Um den “glücklichen Felix” zu bekommen, wird wahrscheinlich kein Weg an der Küchenmaschine vorbeiführen 😉
Oft ist es bis zum gewünschten Ergebnis ein langer Weg, aber diese Erfahrungen sind einfach wichtig! Irgendwann funktioniert es dann aber doch und der “Aha-Effekt” kommt zum Vorschein (ich kann dir ein Lied davon singen 🙂 ).
Schöne Grüße
Dietmar
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Felix
Super, danke für die Hinweise !
Bezüglich der Kneterei ist zu bedenken, dass ich mangels Maschine mit der Hand knete. Da kanns leicht sein, dass das zu wenig ist.
Vielleicht sollte ich mich doch um eine gebrauchte Knetmaschine umsehen?
lg
Felix
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Dietmar Kappl
Kann ich dir nur empfehlen 😉
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Felix
Hallo,
Alex und Edgar sprechen mir aus der Seele !
Liebe Grüße allseits,
Felix
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Alex
Hallo Dietmar,
ich hab mich jetzt das 2, Wochenende mit dem Nachbacken deiner Rezepte vergnügt (und es war wirklich ein großes Vergnügen). Deine Teigführungen bescheren mir den Geschmack von Brot, den ich noch kenne, aber der mittlerweile fast aus den kommerziellen Bäckereien verschwunden ist (da gibt es nur mehr wenige Ausnahmen in Wien).
Der Geschmack war von all deinen Brotrezepten hervorragend, bei der Form ist es bei mir noch ein bissl ein Glückspiel. Knappe Gare, 2/3 Gare, 3/4 Gare, volle Gare….das sind Zustände, die erkannt werden wollen. Ich hab in älteren Beiträgen deines Blogs gelesen, dass du daran denkst Kurse anzubieten. Das wäre für uns HobbybäckerInnen die wahrscheinlich sinnvollste Möglichkeit einmal diese Garezustände gesehen zu haben und damit einen Ausgangspunkt für eigene Erfahrung zu bekommen. Gibt es deine Kursidee noch immer? Wenn ja, denkst du, dass es noch dieses Jahr möglich wird?
Ich danke dir jedenfalls wieder einmal für dein Engagement und deine Zeit, dein immenses Wissen über deinen Blog uns zu schenken.
Herzlichst, Alex
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Dietmar Kappl
Der Gedanke steht immer noch, aber die Kurse sollten etwas besonderes sein 😉
Bitte gib noch etwas Zeit 🙂
Lg. Dietmar
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Edgar
Hallo,
wenn ein Kurs zustande kommt, würde ich mich sofort anmelden. Es ist ein Wahnsinn welche Freude dieser Blog mir bereitet.
Der größte Teil meiner Freizeit (Hobby) 🙂 verbringe ich mit ausprobieren der tollen Rezepte. Ich hab schon auf vielen Seiten gestöbert, aber dieser Blog ist einer der BESTEN ,vor allem wie schnell und ausführlich man seine Fragen/ Probleme beantwortet bekommt.
Ich kann es kaum erwarten, bis wieder neue Rezepte im Blog erscheinen.
Großes Lob an Dietmar, bitte mach weiter so.
Viele Grüße
Edgar
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Dietmar Kappl
Au DANKE 🙂
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