Lievito Madre
Ein Einblick in den italienischen Sauerteig
Lievito Madre, die “Mutterhefe”, ist eine besonders milde und triebfreudige Form des Sauerteigs, die sich vor allem in der italienischen Backtradition großer Beliebtheit erfreut. Sie ist fester als herkömmlicher Sauerteig und zeichnet sich durch ihre milde Säure, stabile Triebkraft und die Fähigkeit aus, zarte und aromatische Teige zu erzeugen. Besonders bekannt ist Lievito Madre für die Herstellung von edlen Backwaren wie Panettone, Colomba und anderen traditionellen Gebäcken.
Lievito Madre basiert auf der natürlichen Fermentation von Weizenmehl und Wasser. Diese Fermentation wird durch die Aktivität von Milchsäurebakterien und wilden Hefen ausgelöst, die dem Teig sowohl Lockerung als auch ein feines, komplexes Aroma verleihen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sauerteigen ist Lievito Madre jedoch deutlich fester und hat eine geringere Säure, was ihr den charakteristischen milden Geschmack verleiht. Dies wird durch eine langsame und kontrollierte Fermentation bei niedrigen Temperaturen erreicht, die hauptsächlich Milchsäure produziert und die Bildung von Essigsäure minimiert.
Dry on Air (DoA) Methode
Eine interessante Führung der Lievito Madre ist die sogenannte Dry on Air (DoA)-Methode. Hierbei wird der Teig nicht wie traditionell üblich eingeschnitten, sondern in eine Rolle geformt und in ein Glas gelegt, sodass die Schichten des Teigs nach oben zeigen. Der Teig sollte möglichst eng im Glas liegen, damit wenig Luft zwischen Lievito Madre und Glaswand verbleibt. Nach einer gewissen Zeit trocknet die Oberfläche des Teigs an, wodurch sich eine natürliche Kruste bildet, die die Lievito Madre versiegelt.
Durch diese Kruste hat die Madre weiterhin Zugang zu Sauerstoff und kann Mikroorganismen von außen aufnehmen. Die Verkrustung, die sich bildet, wird vor der nächsten Fütterung entsorgt oder als Aromazusatz in ein Brot gegeben. Weitergefüttert wird nur der innere, weichere Teil der Madre, das sogenannte “Herz”. Ein Nachteil dieser Methode besteht jedoch darin, das relativ viel „Abfall“ verursacht.
Bondage Methode
Eine weitere traditionelle Methode zur Führung von Lievito Madre ist die Fermentation unter Druck, auch als Bondage bekannt. In der Lombardei ist es üblich, die Madre nach dem Auffrischen in Wurstform zu rollen und fest in ein Leinentuch zu schnüren. Diese Methode erlaubt eine Fermentation unter dem Einfluss von Luftsauerstoff, was die Säurebildung im Teig kontrolliert.
Allerdings greifen viele Bäcker heute aus Gründen der Bequemlichkeit auf kunststoffbeschichtetes Segeltuch zurück, das einfacher zu reinigen ist. Diese moderne Variante verändert jedoch das Fermentationsgeschehen, da sie den Sauerstoffkontakt reduziert und die Säureentwicklung fördert. Dadurch wird die Lievito Madre saurer, was sich auf das Endprodukt auswirken kann.
Bagnetto
Das Bagnetto oder “kleine Bad” ist eine Methode, bei der die gewürfelte Madre in Wasser mit etwas Zucker gebadet wird. Einige Panettonebäcker schwören darauf, dass dies überschüssige Säure aus der Madre ausspült. Allerdings gibt es keine wissenschaftlich fundierten Beweise, die diese Praxis unterstützen. Tatsächlich kann das Bagnetto auch nützliche Mikroorganismen auswaschen und die Madre schwächen. Wer auf die richtige Führung der Madre achtet und die Parameter im Auge behält, benötigt in der Regel kein Bagnetto.
Madre-Qualität und pH-Wert
Die Qualität der Lievito Madre hängt stark von ihrem pH-Wert ab, der die Säurestärke des Teigs misst. Ein gut geführter Lievito Madre sollte einen pH-Wert von etwa 4,2 bis 4,6 aufweisen. Ein zu niedriger pH-Wert von unter 4 deutet auf eine zu starke Säuerung hin, die den Teig negativ beeinflussen kann. Während ein pH-Messgerät eine genaue Kontrolle ermöglicht, ist die eigene Zunge oft das zuverlässigste Messinstrument, um die Reife und Qualität der Madre zu bestimmen.
Lievito Madre ist ein edles Triebmittel, das in der italienischen Backtradition tief verwurzelt ist. Ob durch die klassische Methode, die Dry on Air-Methode oder unter Druck fermentiert – die Kunst der Lievito Madre erfordert Geduld, Sorgfalt und ein Verständnis für die feinen Nuancen der Teigführung. Wer diese Kunst meistert, wird mit einem Sauerteig belohnt, der Backwaren von höchster Qualität und außergewöhnlichem Aroma hervorbringt.
Lievito Madre, ein fester italienischer Sauerteig, kann ebenfalls mit Hefewasser gefüttert werden. Die ideale Festigkeit für Lievito Madre liegt bei einem TA von 146-150
Lievito Madre mit Hefewasser
- 50 g Hefewasser und 100 g Mehl mischen. Knete den Teig, bis er fest und elastisch ist.
- Forme den Teig zu einer Kugel und lasse ihn bei Raumtemperatur für 3-4 Stunden ruhen, bis er sich verdoppelt hat.
- Anschließend 100g Madre, 100g Mehl und 50g Wasser mischen und abermals reifen lassen – Volumensverdoppelung.
- Diese Fütterung muss mind. 4-5x wiederholt werden, um die Kultur zu stärken und aktiv zu halten.
Fazit
Dieser natürliche Starterkultur wird durch die langsame Fermentation und die regelmäßige Auffrischung mit hochwertigem Mehl und Wasser gepflegt, was zu einem einzigartigen Geschmack und einer feinen Textur im Brot führt. Lievito Madre verleiht dem Gebäck eine zarte, luftige Krume und eine angenehm subtile Säure, die sich ideal für eine Vielzahl von Backwaren eignet, von rustikalem Brot bis zu feinen Süßgebäcken. Die Verwendung von Lievito Madre bringt nicht nur eine traditionelle Note in die Backstube, sondern garantiert auch ein konsistent hochwertiges Endprodukt, das sowohl geschmacklich als auch texturlich überzeugt.
32 Kommentare
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Sebastian
Hallo Dietmar,
ich habe zwei Brote mit LM gebacken, 1x Les Boules und 1x Tourte de Meule von Bongu/YT. Beide Male habe ich ein Brot aus dem Ofen holen müssen, dass regelrecht im Ofen aufgeblasen wurde wie ein Ballon, mit einer extrem dichten und gleichmäßgien Porung (dicht wie Toastbrot) und, das prägnanteste, einem super dominaten Gärgeschmack. Kaum bis nicht zu genießen.
Der Dario war eigentlich sehr gut drauf, hatte ein paar Tage vorher damit noch Panettone gebacken. Verdopplung vor Madreherstellung für den Teig in 3h bei 24 Grad C. Madreherstellung für den Teig dann auch in 3h zur Verdopplung bei 24 Grad(1:1:0,5).
Temperaturen etc. wurden eigentlich penibel eingehalten. Hydration passte auch, Tourte de Meule sogar ca. 82%. Ausknetung war nahezu optimal, ich habe selten so einen perfekten und dehnbaren Fenstertest hinbekommen wie etwa bei diesem Tourte de Meule.
Was mir aufgefallen ist: Langsame Stockgare, die musste in beiden Rezepten deutlich verlängert werden.
Hast du eine Idee?
LG, Sebastian
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Dietmar Kappl
Hallo Sebastian,
leider schwer einen Fehler so zu finden.
Denke wenn dein Brot sehr dichte Porung aufweist, dann ist dies meist auf einen zu festen oder schwachen Teiglockerung zurückzuführen.
Sehr schwer hier eine Prognose abgeben zu können?
Lg. Dietmar
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Sebastian
Was mich halt so wirklich verwirrt hat war dieses krasse Gäraroma, also die beiden Brote haben fast so gerochen wie eine fermentierte Madre ansich. Aber wer weiß, vielleicht gab es irgendwo krasse Messfehler, die mir nicht aufgefallen sind.
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Dietmar Kappl
Die Madre ist einfach die Diva unter den Sauerteigen.
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Sebastian
P.S. Wollte ich eigentlich noch hinzufügen:
Darf man die Madre in leicht verschlossenen Einmachgläsern führen (ohne Gummi) und ansetzen? Das mache ich nämlich immer. Oder braucht sie zwingend den Luftaustauch und hat vielleicht deshalb dieses Problemverhalten und unschönen Geschmack entwickelt?
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Dietmar Kappl
Nein das macht nichts!
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Richard Meier
Kann ich nur bestätigen, habe meine „Tussnelda“ aus Hefewasser (Datteln) gezüchtet, seitdem freut sie sich bester Gesundheit! Liebe Grüße aus dem Donaumoos (Oberbayern), Richard.
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Ines Melchert
Hallo Dietmar,
sowas in der Art hatte ich schon befürchtet. Werde dann kurzerhand vor dem Backen einen Teil der LM zum LiCoLi umfunktionieren. Danke für den Tipp.
Herzliche Grüße
Ines
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Ines Melchert
Hallo Dietmar,
habe da noch eine Frage zum Thema Steuerung Säureprofil. Grundsätzlich werden Gebäcke mit LM ja eher mild, mit geringer Säure. Das passt für mich auch gut. Manchmal möchte ich dann aber doch ein Brot mit ein wenig mehr Säure backen, dafür aber keinen weiteren Sauerteig vorhalten müssen. Welche Vorgehensweise empfiehlst du mir, wenn ich dafür die vorhandene LM nutzen möchte.
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Dietmar Kappl
Hallo Ines,
ich verwende eigentlich nur LM für Panettone – bei einer zu starken Säure gelingen mir die Brote nicht wirklich (bezogen auf LM!!).
Du kannst aber auch deinen LM als Anstellgut für Weizensauerteig nehmen 😉
Lg. Dietmar
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Ines
Hallo Dietmar,
du schreibst, die Madre kann auch mit Hefewasser gefüttert werden. Bezieht sich diese Aussage nur auf den Vorgang der Madre h e r s t e l l u n g oder kann ich meine vorhandene Madre auch vor dem Backen mit Hefewasser auffrischen für noch etwas mehr Trieb und ggf. zusätzliche Aromen? Oder sollte ich neben der Madre ggf. einen s e p a r a t e n zusätzlichen Vorteig mit Hefewasser ansetzen?
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Dietmar Kappl
Hallo Ines,
dies bitte nur auf die Züchtung beziehen und nicht auf die weiteren Fütterungen.
Das haut dir die Madre aus dem Gleichgewicht und auch Geschmacklich wird diese den Geschmack des Fruchtwassers annehmen.
Lg. Dietmar
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Ines Melchert
Hallo Dietmar,
habe zwischenzeitlich einfach mal eine kleine Menge Madre mit Hefewasser gefüttert. Nein, die Madre kam damit tatsächlich nicht gut zurecht, der Trieb war deutlich verlangsamt. Wieder etwas gelernt.
Herzliche Grüße
Ines
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Dietmar Kappl
Versuch macht klug 😉
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Paul Kolling
Hallo Dietmar, nachdem ich im Frühjahr bei dir im Kurs sehen konnte dass du u.a. Mehle der Meraner Mühle verwendest habe ich bei meinem Herbsturlaub neulich dort einen Besuch abgestattet und bisl was eingekauft. Auch die beiden Lievito Madre (LM) Produkte “EVA” und “ADAM”. Inzwischen habe ich die EVA mal benutzt und das Ergebnis war top!
Was mich allerdings verwirrt ist, dass die Meraner Mühle in ihren FAQs (sinngemäß) schreibt: aufgrund der komplexen, kontrollierten Aufzucht empfehlen Sie EVA nicht zur Weiterzüchtung.
Hm? ich dachte immer das sei ein wesentliches Merkmal von LM dass sie weitergezüchtet werden kann?
Was ist denn dann die LM der Meraner Mühle? eine Art Reinzuchthefe ähnlich wie bei den Bierbrauern?
beste Grüße
Paul
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Dietmar Kappl
Hallo Paul,
viele machen dies so und ich denke auch es funktioniert, aber die stärkste Triebleistung hat die EVA bei einmaligen Gebrauch.
Die Eva ist so gezüchtet, das man sich das ständige Füttern sparen kann – solltest du deine Eva weiterführen, so empfehle ich diese mind. 3x in der Woche zu füttern.
(ich füttere meine täglich 😉 )
Lg. Dietmar
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Sebastian
Hallo Dietmar
Wenn ich zur Madre Auffrischung klassisch gleiche Teile alte Madre und Mehl nehme, muss ich für die Wasser Kalkulation der Auffrischung die TA der alten Madre mit einberechnen oder ist dies zu vernachlässigen?
Also zum Beispiel bei TA146:
100g Madre/100g Mehl/46g Wasser
oder
100g Madre/100g Mehl/ Xg Wasser
?
Liebe Grüße,
Sebastian
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Dietmar Kappl
Hallo Sebastian,
meine Madre wird ohnehin immer auf TA 146 geführt 😉
Also bleibt alles wie es ist.
(spar dir das umrechnen solange die Madre zuvor nicht 155… oder mehr hatte)
Lg. Dietmar
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Sebastian
🙏
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Katharina
Lieber Dietmar,
welche Mehlsorten empfiehlst du, um die Lievito Madre zu führen? Wenn möglich bitte nicht nur deutsche oder österreichische Mehle nennen. An die komme ich hier überhaupt nicht ran )) Lieben Dank
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Michael Schenk
Olá Katharina,
ich habe auf Lissabon reagiert! Versuche es mal mit https://mygleba.com/pt/gleba-sobre-nos/moagem, die sind in der nicht nur in Lx zu finden.
Das sieht ganz exelent aus.
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Katharina
Lieben Dank Michael, lustiger Weise habe ich in Lissabon in direkter Nachbarschaft zu Gleba gewohnt, also der Bäckerei.
Farinhas Paulino Horta ist die Mühle bei der ich jetzt bereits bestellt habe. Die Mehle sind fantastisch. Bei Gleba bekommt man immer nur 1kg Einheiten, die recht teuer sind. Aber Danke für die Option.
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Dietmar Kappl
Danke für den Link 😉
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Dietmar Kappl
Hallo Katharina,
dann wirst du kaum perfekte Madre bekommen – eventuell Burekmehl.
Das ist die hellste Mehlsorte und das was dem Panettonemehl am nächsten kommt!
Lg. Dietmar
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Katharina
Ich habe jetzt bei der Mühle bei Lissabon ein T45 bestellt… mal schauen, wie sich das entwickelt. Ansonsten kann ich Tipo 00 im Supermarkt kaufen… nur das hat beim letzten Versuch für viele Fehlversuche gesorgt 😉
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Ralf
Sehr interessant, danke, Dietmar! Welche Führungsparameter empfiehlst Du für eine milde, triebstarke Madre? Du schreibst von eher niedrigen Temperaturen…
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Dietmar Kappl
Hallo Ralf,
2:1:0,46 (Mehl : Madre : Wasser)
Lagertemperatur: 18°C
Lg. Dietmar
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Olaf
Was für ein Kompendium, diese letzten Einträge! Ganz toll, vielen herzlichen Dank dafür.
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Dietmar Kappl
Gern geschehen 😉
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Dietmar Kappl
Danke
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Ralph
sers Dietmar,
Da hat der Fehlerteufel zugeschlagen, bei:
3. Anschließend 100g Madre, 100g Wasser und 50g Wasser mischen und abermals reifen lassen – Volumensverdoppelung.
Das muss doch sicherlich Madre, MEHL , Wasser heissen, oder?
Ansonsten find ich die Überarbeitung der Sauerteig-Methoden Klasse, da werden einige Unklarheiten bei mir gelöst!
Danke Dafür,
♥️lich Ralph
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Dietmar Kappl
Danke – schon ausgebessert 😉
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