Reine de Meule
In letzter Zeit bemerkte ich, dass viele Leser Probleme mit dem Erkennen von fertig gekneteten Weizenteigen haben. Grund genug den Misch- und Knetprozess einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Qualität des Brotes wird neben der verwendeten Rohstoffe entscheidend im Knetprozess beeinflusst. Die Vorgänge bei der Teigbildung sind von großer Wichtigkeit. Sie wird in eine Misch- und Knetphase aufgeteilt.
Mischphase
Sie ist wichtig um eine optimale Löslichkeit und Quellung der Mehlpartikel in Verbindung mit der Flüssigkeit zu gewährleisten. Die Teigerwärmung ist gering und das Ende der Mischphase ist erreicht, wenn sich aus der großen und nassen Teigstruktur eine homogene Masse gebildet hat.
Knetphase
Durch die intensive Teigbearbeitung werden die teigbildenden Vorgänge beschleunigt. Die gequollenen Kleberstränge bilden nach und nach einen dünnen Kleberfilm. Bei der Teigbildung wird die Wasseraufnahme maßgeblich durch die Mehlbestandteile beeinflusst und folgendermaßen gebunden:
- ca. 50% der Flüssigkeit wird durch die Eiweißstoffe (Gliadin und Glutanin) gebunden
- ca. 30% der Flüssigkeit wird durch die Stärke und Schalenteile gebunden
- ca. 20% der Flüssigkeit bleiben ungebunden an der Oberfläche im Teig
Knetsystem / Teigmenge
Die Teigentwicklung hängt auch sehr stark von der gewählten Knetmaschine ab. Je nach Drehzahl, Knetarm und Fassungsvermögen des Knetkessels kann die Teigentwicklungszeit sehr unterschiedlich sein. Auf Grund des größeren Reibungseffekts gilt: je größer die Teigmenge, desto intensiver der Mischvorgang. Die Teigmenge sollte daher auf das Fassungsvolumen der Knetmaschine abgestimmt werden.
Teigtemperatur
Die Teigentwicklungszeit ist genau so abhängig von der Temperatur der Schüttflüssigkeit. Je tiefer die Temperatur, desto länger ist die Mischphase, weil die wasserunlöslichen Eiweißstoffe das Wasserbindevermögen verzögern.
Teigausbeute
Bei sehr weichen Weizenteigen (TA 180–190) kann es passieren, dass die Knetzeit über 12 Minuten beträgt! Da sie dem Knetwerkzeug weniger Widerstand geben, entwickelt sich das Klebergerüst deutlich langsamer. Auf Grund der trägeren Teigerwärmung sind lange Knetzeiten möglich. Um eine optimale Teigentwicklung bei weichen Teigen zu garantieren ist es ratsam, nicht die gesamte Schüttflüssigkeit von Beginn an, sondern erst nach und nach beizugeben. Eine verspätetet Salzzugabe bewirkt ebenso einen leicht positiven Effekt auf die Kleberentwicklung.
Merkmale von gekneteten Weizenteigen
Unterkneteter Weizenteig
- Oberfläche glänzt leicht (feuchte Oberfläche)
- Oberfläche noch nicht glatt (Inselartige Risse)
- grobe Kleberstruktur (Teig zerreißt beim ziehen)
- der Teig lässt sich noch nicht ausfenstern
Ausgekneteter Weizenteig:
- der Teig löst sich vom Kesselrand
- Oberfläche wirkt straff, ist glatt und wenig klebend
- der Teig lässt sich gut ausfenstern
- der Teig ist sehr elastisch und hat eine gut dehnbare Kleberstruktur
Überkneteter Weizenteig:
- der Teig haftet wieder am Kesselrand
- der Teig beginnt an der Oberfläche wieder zu glänzen
- der Teig verliert zunehmend seine Elastizität
Da der Teigzustand entscheidenden Einfluss auf seine Verarbeitungseigenschaften und seine Gärtoleranz hat, sollte die Knetmaschine während des Knetprozesses nicht aus den Augen gelassen werden.
Bei Einsatz von Sauerteig oder anderen Vorteigen muss die Knetzeit angepasst werden. Der Abbau des Klebers in der Vorteigstufe ist im Misch- und Knetprozess auszugleichen – rasche Teigerweichung!
Rezept
für ein Teiggewicht von 1928g
Roggensauerteig:
- 70g Roggenmehl Type 960
- 70g Wasser
- 10g Anstellgut
TA: 200 TT: 28°C RZ: 15 Stunden
Poolish:
- 100g Weizenmehl Type 700
- 100g Wasser
- 1g Hefe
TA: 200 TT: 25°C (fallend auf 4°C im Kühlschrank) RZ: 15-24 Stunden
Hauptteig:
- 150g reifer Roggensauerteig
- 201g reifes Poolish
- 900g T80
- 550g Wasser (für Autolyseteig)
- 100g Wasser (nach er Autolyse Schluckweise nachschütten)
- 25g Meersalz
- 3g Hefe
TA: 177 TT: 24°C MZ: 3 Min. langsam / AUTOLYSE/ 8 Min. langsam/ 4-5 Min. schnell
Herstellung:
- Roggensauerteig, Poolish, T80 und 550g Wasser werden zu einem homogenen Teig vermischen.
- Dieser sollte anschließend mind. 40-60 Minuten zugedeckt zur Autolyse stehen gelassen werden.
- Nach der eingehaltenen Autolyse wird der Teig 8 Minuten am langsamen Gang gemischt. Erst im schnellen Gang werden die restlichen 100g Wasser schluckweise nachgeschüttet.
- Nach dem Kneten den Teig in eine leicht geölte Wanne legen und für 90 Minuten reifen lassen (nach 30 und 60 Minuten den Teig falten)!
- Danach wird der Teig in 2 gleich große Stücke geteilt und zu runden Laiben geformt.
- Nach dem Formen können die Brotlaibe wahlweise kühl (4°C) oder warm (20°C) garen:
- kühle & lange Reifezeit: ca. 12-15 Stunden
- Reifezeit bei Raumtemperatur: ca. 70-90 Minuten
“Gebacken werden kann wahlweise im Topf oder auf dem Backstein”
“Topf”
- Backofentemperatur 250°C / 35 Minuten bei gleichbleibender Temperatur backen. Danach den Deckel entfernen und nach gewünschter Krustenfarbe fertigbacken.
“Backstein”
- Backofentemperatur 250°C mit Schwaden / Ofen nach 5 Minuten auf 210°C zurückschalten und kräftig ausbacken. Die Backzeit sollte mind. 45 Minuten betragen.
159 Kommentare
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Jogi
Vielen Dank Dietmar für die ausführliche Erklärung. Ich gehörte ja auch zu den Fladenbäckern
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Jogi
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Irene
Hallo Dietmar,
ich bin gerade dabei, dieses Brot zu backen – aber habe jetzt zuerst einmal die warme Reifezeit gewählt.
Der Teig steht jetzt zu Autolyse.
Ist es richtig, dass ich die restlichen 3g Hefe und das Salz danach zufüge?
Bin gespannt, wie das Brot wird.
Vor allem, weil ich in einem Punkt anders vorgehen muss. Ich habe seit einiger Zeit keinen Roggen-Sauerteig mehr – nur Weizen-Sauerteig (das Lievito Madre).
Aber das hat auch beim San-Franzisco-Sour dough gut funktioniert.
Bei uns in der Familie ist das Sauerteig-Brot nicht so begehrt, wir wohnen eben im südlichen Deutschland 🙂
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Dietmar Kappl
Hallo Irene,
Salz und Hefe fügt man erst nach der Autolyse bei!!!
Grund:
– Das Wasser sollte zu Beginn der Mischzeit vollständig dem Mehl zur Verfügung stehen (Salz entzieht dem Teig wieder Wasser). Einige Qualitätsbäcker geben Salz erst gegen Ende der Knetzeit bei!
– Durch die Hefe würde der Teig zu schnell reifen, daher setzt man diese erst nach der Autolyse bei.
Lg. Dietmar
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Irene
“Das ist das beste Brot, das du je gebacken hast – das könnte es mit jedem Holzofenbrot vom Markt aufnehmen”
Das sind die Worte von Norbert und Petra, meinen “Mitessern”.
Ich bin ganz glücklich darüber.
Ich habe es im Topf gebacken, und auch der Ansatz vom Roggen mit dem Lievito Madre hat also funktioniert.
Danke für das Rezept, Dietmar!
Grüße – Irene
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Dietmar Kappl
Wirst sehen, einmal der Knopf aufgegangen und der “Aha-Effekt” erledigt sich von alleine 😉
Lg. Dietmar
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Karl
Guten Morgen Dietmar!
Wodurch kann man die Mehle T60 bzw. T80 ersetzen? Die sind nämlich weder bei mir im Burgenland, noch in Wien wo zu bekommen, ausser im Internet und da sind die Versandkosten nicht gerade niedrig nach Österreich.
LG Karl
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Dietmar Kappl
Hallo Karl,
T80 kannst du durch W-1600 ersetzten.
T65 kannst du durch W-700 ersetzten.
Wahrscheinlich kann die TA um ein paar Punkte fallen, ansonsten halte dich einfach an die selbe Anleitung!
Ich werde dir/euch demnächst einige Rezepte mit hoher TA von Österreichischen Mehlen backen 😉
Bitte hab noch etwas Geduld (hab noch einiges an Wünschen abzuarbeiten).
Lg. Dietmar
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Samuel Kargl
Hallo Dietmar!
Danke für deinen umfangreichen Bericht – jetzt ist mir einiges klarer. Aber soviel Wissen passt in mein altes Hirn schwer rein 🙂
lg SAM
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Dietmar Kappl
Wissen???
deine Krapfen verfolgten mich noch im Schlaf!!!
Perfekter geht’s wohl gar nicht 🙂
Lg. Dietmar
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Hannes Iseli
Ganz allgemein: Wenn du die Teigtemperatur angibst, meint das z.B. 28 Grad auf Zimmertemperatur fallend, oder konstant während der angegebenen Reifezeit.
Das Brot schaut ja wieder mal unglaublich schön aus…
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Dietmar Kappl
Eine gleichbleibende Teigtemperatur beim Sauerteig wäre am besten. Ist diese aber schwer einzuhalten, so setzt man den Sauerteig wärmer an (35°C) und lässt diesen danach langsam auf Raumtemperatur (20-22°C) abfallen. Der Durchschnittswert liegt somit bei 28°C 😉
Lg.
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Ulrike
Hallo Dietmar,
könntest du bitte ein bisschen Gas wegnehmen beim Rezept-Einstellen? 😉 Ich mache vier Wochen Urlaub und schon jetzt stehen so viele deiner Brote in der Warteschleife, dass ich mit dem Nachbacken nach meiner Rückkehr kaum nachkommen werde. Noch schlimmer, die verlustigen Kilos durch ohne Brot und Thaifood hab ich bald ganz schnell wieder drauf, fürchte ich.
Eine schöne Erklärung hast du da geschrieben, das wird sicher einigen weiterhelfen. Tatsächlich kommt aber wohl keiner ums Learning-by-doing drumherum 😉
Seit ich mit der Assistent arbeite, knete ich meine Teig viel länger als früher, dafür werden sie dann aber um so schöner. Ist halt auch alles vom Gerät abhängig.
Ich nehme mal an, dass für die kalte Reife ein Tuch im Körbchen von Vorteil sein dürfte. Mit Schluss nach unten bin ich nicht immer so erfolgreich, wie ich gern wäre, deshalb meine Frage:
Liegt es daran, dass ich zu wenig mehle oder bin ich beim Wirken nicht schlampig genug?
Liebe Grüße
Ulrike
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Dietmar Kappl
Hallo Ulrike,
Tücher bei der kalten und langen Gare haben immer nur Vorteile 🙂
Bei der rustikalen Variante darf es schon ein wenig schlampig sein 😉
Lg. Dietmar
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Irene
Ulrike,
viele von uns im Brotbackforum haben sich diese Cleanbake-Tücher und Überzieher fürs Gärkörbchen gekauft. Seit ich die benütze ist mit nie mehr etwas kleben geblieben.
Gruß – Irene
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Irene
Ich habe das San-Franzisco darin übernacht im Kühlschrank gehabt.
Hat bestens geklappt.
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Ulrike
Hab ich, Irene, für die warme Führung nehme ich das aber nicht, weil mir die Kruste ohne besser gefällt und mir auch noch nie was angehängt ist…auf Holz klopf. Aber über Nacht war mir das bisher immer zu riskant.
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Edgar
Hallo Dietmar,
hast Du den Schluß im Gärkorb, und vor dem Backen nur gestürzt ?
Ist der Ausbund vom Ofentrieb?
Schöne glänzende Kruste, kommt diese von der langen kühlen Gare ?
Die Krume erinnert mich an früher, als die Bauern ihr Brot zum Bäcker brachten
um es dort zu backen.
Ist mal wieder ein SUPER Rezept, muss ich gleich nachbacken.
Vielen Dank und viele Grüße
Edgar
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Dietmar Kappl
Hallo Edgar,
Brot habe ich vor dem Backen gestürzt 🙂
Ich habe eine Kombi zwischen Langzeit und frischer Führung gewählt (ca.7Stunden)!
Die glänzende Kruste kommt vom “satten” Schwaden + weiche Teigführung / – Schwaden erst gegen Schluss ablassen
Lg. Dietmar
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Irene
Hallo Dietmar,
vielen Dank für deine Doktorarbeit! Da bin ich wirklich gespannt.
Ich werde aber vermutlich mal nur die halbe Menge backen 🙂
Das mit dem Kneten ist wirklich informativ!
Noch eine Frage zu einem überkneteten Teig:
Kann man den irgendwie wieder retten?
Grüße
Irene
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Dietmar Kappl
Hallo Irene,
auch mir passierte es von Zeit zu Zeit das ich weiche Teige überknete 🙁
Du kannst diese Teige mit einem eventuellen zusätzlichen Falten retten (3-4mal alle 15 Min. Falten)!
Lg. Dietmar
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Irene
Das ist immerhin ein Trost! Da wage ich es eher, mal wirklich länger zu kneten.
Danke und Grüße
Irene
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Dietmar Kappl
Wer nichts wagt, … 😉
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ANNA GIORDANI
Splendido Pane!!!
Grazie delle straordinarie quanto qualificate informazioni che ci hai fornito.
Come sempre sei generoso e molto competente.
Un caro saluto.
Anna
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Dietmar Kappl
Danke Danke 🙂 🙂
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